Modulare Synthesizer: der Eurorack-Leitfaden für Einsteiger*innen
Modulare Synthesizer erobern die Welt derzeit im Sturm.
Diese einst unübliche Art der Synthese hat sich zur zentralen Arena der klanglichen Experimentation in der elektronischen Musik – und darüber hinaus – entwickelt.
Die modulare Synthese blickt auf eine reichhaltige Geschichte zurück, die bis zu den ersten elektronischen Instrumenten zurückreicht. Und ihre Flexibilität und Vielseitigkeit ist einzigartig.
Doch modulare Synthese ist nicht gerade einfach, sondern kompliziert und teuer. Zudem verfügt sie über eine steile Lernkurve.
Nichtsdestotrotz musst du dich von diesem Umstand nicht einschüchtern lassen. Die Möglichkeiten fürs Sound-Design, die die modulare Synthese bietet, sind unglaublich, daher ist sie es auf jeden Fall wert.
In diesem Leitfaden erfährst du alles, was du wissen musst, um die Entscheidungen treffen zu können, ob die modulare Synthese das Richtige für dich ist, und wie du die ersten Schritte machst.
Dann legen wir mal los.
Was ist modulare Synthese?
Modulare Synthese ist eine offene Herangehensweise an die Synthese, bei der unterschiedliche Module in einem personalisierbaren System durch physische Patch-Kabel miteinander verknüpft werden.
Jedes Modul in einem modularen System führt eine spezifische Synthese-Funktion aus, sodass die Module frei wählbar in den Audiosignalweg eingeschaltet werden können.
Das mag technisch klingen, bedeutet jedoch lediglich, dass modulare Synthesizer keine festgelegte Bauart haben und deshalb so aufgebaut werden können, wie du willst.
Im Folgenden siehst du, was Joey Blush über seine Erfahrung mit modularen Synthesizern zu erzählen hat. Du findest sein Sample-Pack, das er komplett mit seinem umfassenden modularen Synth kreiert hat, auf LANDR Samples.
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Dieses offene Patching-System stammt von den Original-Synthesizern, die in den 1960er Jahren von Robert Moog und Don Buchla entwickelt wurden.
Es mag mittlerweile schwer vorstellbar sein, doch zu jener Zeit war die Synthese ein abstraktes akademisches Konzept ohne praktische Anwendung in der Musik.
Damals wurden Synthesizer noch nicht auf die gleiche Weise als Instrumente angesehen, wie das heute der Fall ist. Sie waren eher massive elektrische Terminals, die von Techniker*innen bedient wurden.
Mit der Zeit entwickelten Musiker*innen und Synthese-Fans das musikalische Vokabular für Synthesizer, wodurch sie immer häufiger in nicht-akademischen Kreisen auftauchten.
Als die Synthese mehr und mehr aufblühte, erkannten innovative Unternehmen wie ARP, dass die meisten Musiker*innen ihr Setup immer ähnlich aufbauen.
Das bedeutete, dass die meisten Verknüpfungen zwischen Modulen auf permanente Weise innerhalb des Synthesizers verpackt werden konnten, um Zeit und Platz zu sparen.
Diese Entwicklung führte zu den Synthesizern, wie wir sie heute kennen. Am Anfang stand dabei der Minimoog, der 1970 auf den Markt kam.Das ältere System trat für Jahrzehnte hinter das neuere zurück, bis Ende der 90er Jahre der Eurorack-Standard eine Renaissance des modularen Synthesizers einläutete.
Warum mit der modularen Synthese anfangen?
Der Grund dafür, dass die Beliebtheit der modularen Synthese so hoch ist, besteht darin, dass modulare Systeme und Signalketten so flexibel und personalisierbar sein können.
Das heißt du kannst die Modulen benutzen, die dir am besten gefallen, und zwar in allen erdenklichen Konfigurationen. Es gibt haufenweise Module und jeden Tag werden neue entwickelt.
Modulare Rigs können Sounds erzeugen, die selbst auf den flexibelsten integrierten Synthesizern völlig unmöglich waren.
Modulare Rigs können Sounds erzeugen, die selbst auf den flexibelsten integrierten Synthesizern völlig unmöglich waren.
Sie stellt außerdem eine völlig andere Herangehensweise ans Synth-Patch-Design dar, bei der es mehr um Experimentation und Unvorhersehbarkeit geht als um strikt musikalische Ergebnisse.
Falls du dich schonmal selbst als verrückte*n Klangwissenschaftler*in beschrieben hast, die oder der sich eher in einem Kabelsalat als einer herkömmlichen Jam-Session zu Hause fühlt, dann könnte die modulare Synthese genau das Richtige für dich sein.
Was ist Eurorack?
Eurorack ist der revolutionäre Standard, der den modernen Boom modularer Synthesizer ermöglicht hat.
Vor Eurorack verfügte jeder Synth-Hersteller über seine eigenen technischen Standards für seine eigenen Module.
Sie waren für die Nutzung in einem vollständigen System mit anderen Modulen des gleichen Herstellers gedacht, ganz wie in den guten alten Zeiten.
Leider sorgte das dafür, dass es unmöglich war, Module von unterschiedlichen Herstellern zu verknüpfen.
Als das modulare System an Beliebtheit zunahm, realisierten die Hersteller, dass diese geschlossenen Systeme sowohl dem Umsatz als auch der Kreativität schadeten.
Eurorack wurde entwickelt, um die grundlegenden Anforderungen für modulare Designs zu standardisieren.
Es standardisierte Modul-Funktionen wie Dimensionen, Stecker, Anforderungen für die Stromversorgung und Signalpegel, sowohl für Regler als auch für Audio.
Das hat dazu geführt, dass jeder Hersteller im Eurorack-Universum von dem immer größer werdenden Kund*innen-Pool profitiert und Nutzer*innen extrem personalisierte Rigs mit dem Equipment ihrer Wahl bauen können.
Dieser Geist der Zusammenarbeit erinnert mich an einen anderen legendären Standard, der vor langer Zeit Hersteller von Equipment für elektronische Musik zusammengebracht hat…
Steuerspannung
In einem modularen Synthesizer gibt es zwei Arten von Signalfluss.
Der erste ist schlicht und ergreifend das Audiosignal, das du am Ende über die Lautsprecher hörst, wenn du dein modulares Rig mit einem Audio-Interface oder Mixer verbindest.
Der zweite nennt sich Steuerspannung und ist das Signal, das alle anderen Aufgaben in deinem modularen Synthesizer übernimmt.
Und damit meine ich alle – selbst grundlegende Funktionen wie das Triggern von Noten auf dem Keyboard.
Sobald du diesen Umstand verstanden hast, verstehst du auch, dass du, indem du die Steuerspannung separat bearbeitest, deine Synthesemöglichkeiten extrem erweiterst.
Außerdem wirst du Sounds und Signale anders sehen.
Es gibt viele Module, die darauf spezialisiert sind, die elektrischen Merkmale des Signals zu manipulieren. Was passiert, wenn du die Polarität eines Steuersignals invertierst? Z.B. wenn du sie vergrößerst oder verkleinerst?
Dieser Lernprozess, während dessen du entdeckst, wie all diese Eigenschaften die Sounds, die du machst, beeinflussen, ist ein toller Nebeneffekt der modularen Synthese.
Gehäuse und Netzteile
Alle modularen Synths ist sind vollkommen selbstgebaut.
Das heißt, dass du sogar das Netzteil und das Gehäuse, in das du deine Module einpassen willst, selbst kaufen musst.
Du denkst vielleicht, dass es sich hierbei um ein triviales Detail handelt, doch das Modell, das du auswählst, sagt viel über dein System aus.
Du denkst vielleicht, dass es sich hierbei um ein triviales Detail handelt, doch das Modell, das du auswählst, sagt viel über dein System aus.
Wie viele Module soll dein Rig beinhalten? Soll es tragbar sein, sodass du damit Live-Konzerte spielen kannst, oder soll es eher eine Art handgefertigtes Möbelstück sein?
Kommt es ohne Probleme mit extrem stromhungrigen Modulen zurecht oder ist es eher für leichtere Komponenten gebaut?
Egal was du auswählst, es gibt immer ein paar Faktoren, die es zu bedenken gilt.
Folgendes solltest du wissen, wenn du dein erstes Eurorack-Gehäuse kaufst:
- Die Leistung von modularen Gehäusen wird in HP gemessen, was für “horizontal pitch” (horizontale Tonhöhe) steht. 1 HP ist 0,2 Zoll oder 5mm.
- Module sind in exakten HP-Dimensionen gebaut. Jedes Modul verfügt über seinen eigenen HP-Wert, der eine gerade oder eine ungerade Nummer sein kann.
- Der insgesamte HP deiner Module darf die maximale Breite deines Gehäuses nicht überschreiten, weshalb du entsprechend planen musst.
- Meistens beinhalten Gehäuse Montageschienen für die Module, sie können jedoch auch einzeln gekauft werden.
Die Module müssen mit Strom versorgt werden. Jedes Modul, das du in dein Rig einbaust, hat seine eigenen Anforderungen, was Stromstärke und Spannung angeht.
Viele modularen Gehäuse verfügen über eingebaute Netzteile, doch bei manchen muss das Netzteil einzeln gekauft oder selbst gebaut werden.
Zum Glück ist der Spannungsbedarf dank des Eurorack-Formats auf +/- 12V oder 5V DC normiert.
12V ist für analoge Komponenten normal, doch da es auf dem Markt immer mehr digitale Module gibt, wird 5V immer wichtiger. Du solltest dich versichern, dass dein Netzteil die nötige Spannung bereitstellt.
Der Nennstrom deines Netzteils legt fest, wie viele Module du in dein Gehäuse einbauen kannst.
Jedes Modul hat eine spezifische Stromaufnahme, die in mA oder Milliampere gemessen wird. Die Gesamtstromaufnahme all deiner Module zusammen darf das Maximum deines Netzteils nicht überschreiten.
Die meisten modernen Netzteile liefern haufenweise Saft, du solltest dich jedoch im Voraus versichern.
Module
Hier beginnt der Spaß.
Das Auswählen der Module für dein Rig und die Personalisierung machen mit am meisten Freude bei der modularen Synthese.
Das Auswählen der Module für dein Rig und die Personalisierung machen mit am meisten Freude bei der modularen Synthese.
Es kann jedoch auch ein bisschen stressen.
Es gibt eine enorme Anzahl an Modulen und die Optionen nehmen jeden Tag zu.
Viele erfahrene Modular-Fans sind der Meinung, dass die beste Strategie darin besteht, mit einer konkreten Idee dessen, was du willst, und realistischen Erwartungen für dein Rig anzufangen.
Hier sind ein paar Tipps für dein erstes modulares Rig:
- Module frei zu mischen ist nicht immer sehr benutzerfreundlich. Halte dich bei eher praktischen Synthese-Aufgaben an integrierte Synthesizer und benutze den modularen Synthesizer eher zum Austoben.
- Polyphonie ist möglich, jedoch nicht unbedingt nötig. Ein flexibles und inspirierendes modulares System kann auch nur aus einer einzigen Stimme bestehen.
- Lasse digitale Optionen nicht unberücksichtigt. Der modulare Synth mag einem zwar wie eine ausschließlich analoge Welt vorkommen, doch es gibt haufenweise toller digitaler Module, die nicht außer Acht gelassen werden sollten.
- Es kann sein, dass die besten Module nicht einmal Sound produzieren. Effekte, Steuervorrichtungen und Spannunsmanipulatoren sind die Elemente, die das modulare System so interessant machen.
- Vergiss nicht den Sequenzer. Modulare Sequenzer sind extrem kreativ und häufig komplett anders als traditionelle Modelle.
Das sind zwar ein paar gute Ideen für den Anfang, doch du solltest nicht vergessen, dass es in der modularen Welt keine Regeln gibt.
Der Schlüssel liegt in der Freiheit, das System deiner Wahl zu kreieren.
Modular-Manie
Es ist nicht schwer zu erkennen, warum die modulare Synthese immer beliebter wird. Die Flexibilität, die Offenheit und der experimentelle Geist der modularen Synthese machen sie besonders bei abenteuerlichen Musiker*innen so beliebt.
Und dank dem Eurorack-Standard wird sie immer besser.
Egal ob du ein maßgeschneidertes Rig bauen oder mit Patches mehr Hand anlegen willst – die modulare Synthese ist eine faszinierende Entwicklung, die jede*r kennen sollte.
Jetzt da du mehr über dieses System weißt, kannst du damit anfangen, deine zukünftigen Synth-Träume zu spinnen.
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